Multitalent auf dem Green: Der ganz eigene Stil der Troy Mullins

Ihr Weltrekord, sagt Troy Mullins, sei ihr „kleines Abzeichen“. Klein, weil ihr Weltrekord nur eine kleine von vielen Leistungen sei, die sie auf dem Golfplatz in Zukunft erreichen wolle. Im Jahr 2017 schlug sie beim World Long Drive Mile High Tournament den Ball 402 Yards (fast 368 Meter) weit - weiter hatte noch keine Golferin geschlagen. Sie gewann die Veranstaltung und avancierte damit zu einer der besten Long-Drive-Golferinnen Amerikas.
Troy Mullins nimmt’s sportlich – schließlich fasziniere sie am Golfen gerade das Potenzial, sich permanent weiterentwickeln zu können. Vielleicht eine der Eigenschaften, die die Frau aus Los Angeles zu einer der spannendsten Golferinnen ihrer Generation machen.

Denn mit ihrer großen Lockenmähne, ihrem ansteckenden Lachen, ihrer selbstbewussten Ausstrahlung und ihrem ganz eigenen, farbenfrohen Stil ist Mullins eine Ausnahmeerscheinung auf den Golfplätzen rund um den Globus. Sie hat sich in der Long-Drive-Szene, in der gewinnt, wer den Ball am weitesten schlägt, mit ihrem Talent längst einen Namen gemacht – wohl auch bei ihrem Idol Tiger Woods.
Im Jahr 2018, erinnert sie sich, war sie Gast auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung von Woods. Er kam an einem Loch vorbei, an dem sie gerade mit drei anderen Golfern spielte. „Innerlich konnte ich mich vor Freude kaum halten, dass er hier und jetzt neben mir stand“, erzählt sie. Woods zog seinen Handschuh an und schlug den Ball für ihre Gruppe. Doch anstatt Troys Schlag abzuwarten, verließ er lieber direkt danach grinsend den Golfplatz. „Es geht nichts über ein Treffen mit Tiger Woods“, sagt sie.

Allroundtalent im Sport: von allem ein bisschen
Weltrekorde und Abschläge mit Tiger Woods schienen auf ihrem Weg aber erst einmal nicht vorgezeichnet. Als Kind war Mullins ein sportliches Multitalent, trainierte Schwimmen, Volleyball, Tennis und Leichtathletik. In einem der vielen Sportcamps, in die ihre Mutter sie schickte, kam sie auch zum ersten Mal mit Golf in Berührung. „Mir hat es zwar damals schon gefallen, den Ball zu schlagen“, erinnert sie sich. „Aber ich hasste die Sonne, das ständige Laufen, und ich hasste es, das einzige Mädchen zu sein. Ich wollte niemals Golferin werden.“
Stattdessen trat sie in die Fußstapfen ihres Vaters, der Leichtathlet und ein Weltklasse-400-Meter-Läufer war. Auch Troy hatte Talent: Mit acht Jahren trat sie bereits gegen Teenager an. In ihrem letzten Jahr an der Highschool wechselte sie vom Sprinten zum Siebenkampf, um die sieben Leichtathletik-Disziplinen zu beherrschen. Mullins besuchte zwei Jahre lang die Cornell-Universität, wo sie China-Asien-Pazifik-Studien und internationale Beziehungen studierte. Nebenbei lernte sie fließend Mandarin zu sprechen – immer auf der Suche nach der nächsten Herausforderung.
Bei einem eher zufälligen Besuch einer Driving Range in Los Angeles entdeckte sie ihre neue Leidenschaft: „Ich wurde sofort süchtig danach, den Ball zu schlagen“, erzählt sie. Ihr wurde klar: Sie wollte Profigolferin werden – und es dabei auf keinen Fall langsam angehen lassen. „Meine Familie hat meine spontanen und hochgesteckten Ziele nicht wirklich verstanden“, sagt sie. Doch Mullins’ Plan ging auf: „Drei Jahre nachdem ich meinen ersten Ball schlug, nahm ich an Amateurturnieren teil“, sagt sie. Bei ihrem ersten Long-Drive-Event belegte sie den zweiten Platz. Trotz ihres frühen Erfolgs sagt sie: „Ich finde immer noch heraus, wie man ein echter Golfprofi wird.“
„Man muss an sich selbst glauben und alles tun, um seine Träume zu verwirklichen.“

Die „Trojanische Göttin“ auf dem Golfplatz
Die Troy Mullins, die heute für Golf-Events durch die Welt reist, den Spitznamen „Trojan Goddess“ trägt und rund 250.000 Follower über alle Social-Media-Kanäle hinweg hat, war bis vor zwei Jahren noch eine ganz andere. Sie empfand die Konventionen ihres Sports oft als erdrückend, berichtet sie. Mullins, häufig die einzige schwarze Frau auf dem Golfplatz, wirke zu athletisch, kleide sich oft zu bunt, lenke die anderen Spieler zu sehr ab – Bemerkungen, die ihr nahegegangen seien. Sie versuchte ihre Persönlichkeit zu verbergen und sich anzupassen – sie tauschte ihren bunten Rock gegen eine schwarze Hose. „Bis ich realisiert habe, dass ich Zeit damit verschwendet habe, etwas zu sein, was ich nicht bin. Und Fakt ist, dass es unzählige Frauen wie mich gibt, die auch gern Golf spielen möchten. Ich sollte sie repräsentieren. Ich finde, ich sollte die Norm sein, nicht die Ausnahme“, sagt sie.
Die Golfszene, hofft sie, wird künftig immer diverser werden. Mit einer ganz anderen Leidenschaft neben dem Golf möchte sie selbst für Veränderung sorgen: Mode. „Ich möchte in Zukunft eine Modelinie für Frauen designen, die für alle Körpertypen geeignet ist“, sagt sie. „Feminin, bunt, anders.“ Sich ständig weiterentwickeln, lernen und verbessern – genau das gefällt der 34-Jährigen am meisten am Golfsport. „Ich liebe Herausforderungen“, sagt sie. Sie sei geradezu besessen davon, die Golfdisziplinen immer besser zu meistern. „Auf jedem Niveau gibt es immer etwas, woran man arbeiten kann, wenn man einen Schläger in die Hand nimmt. Angesichts der sich ständig ändernden Bedingungen gehe ich jeden Tag mit einem offenen Geist an das Spiel heran, als wäre ich eine Anfängerin.“
Es sind dieser Ehrgeiz, das ständige Streben nach Fortschritt und die hochgesteckten Ziele, die sie jeden Tag antreiben. Und Mullins weiß, wohin sie will: in die LPGA Tour, die größte Golf-Turnierserie, als Gewinnerin, mit einem Platz in der Hall of Fame. „Um erfolgreich zu sein, brauchst du eine Attitüde“, sagt sie. „Erfolg bedeutet für mich, über das hinauszugehen, was die Leute sehen. Du musst an dich selbst glauben und alles dafür tun, deine Träume und Ziele zu erreichen.“
„Ich finde, ich sollte die Norm sein, nicht die Ausnahme.“
